Diskussionspunkt Bargeldverbot
Das bargeldlose Zahlen wird weltweit immer populärer. Neben der Bezahlung per Kreditkarte erfreuen sich auch Bezahl-Apps auf dem Smartphone immer größerer Beliebtheit. In China findet derzeit die größte Dynamik statt. Mittlerweile haben sich dort über 30 Startup-Firmen im Bereich E-Commerce als „Unicorn“ etabliert, d. h. einen Marktwert von mindestens 1 Milliarde $ erreicht. Aber auch in Europa hat sich einiges getan. So hat z. B. London ein elektronisches Bezahlsystem für Straßenmusiker eingeführt. Der Vorreiter beim bargeldlosen Zahlen bleibt jedoch Schweden. Bereits heute werden 95 % der Transaktionen im Einzelhandel nicht mehr über Scheine und Münzen abgewickelt und nur noch wenige Banken bieten überhaupt die Möglichkeit an, Bargeld ein- oder auszuzahlen. Bis 2023 soll das Bargeld in Schweden komplett verschwinden. Ist diese Entwicklung auch in der Eurozone abzusehen? Im Schnitt werden hier noch 79 % aller Einkäufe an der Ladenkasse mit Bargeld bezahlt.
Aktueller Stand in der Eurozone
Am 26. Januar wurde die Ausgabe von 500-Euro-Scheinen eingestellt und die Notenbanken beginnen damit, die sich im Umlauf befindlichen 500-Euro-Scheine einzuziehen. Die Ausnahme bilden die Deutsche Bundesbank und die Österreichische Nationalbank, die erst Ende April diesen Prozess anstoßen wollen. Die sich im Umlauf befindlichen 500-Euro-Scheine bleiben jedoch weiterhin als gesetzliches Zahlungsmittel bestehen. Diese Tatsache allein sagt zunächst nicht viel aus. Allerdings liefert die Begründung für die Abschaffung reichlich Sprengstoff: Die EZB möchte damit kriminelle Aktivitäten wie Terrorfinanzierung, Geldwäsche und Schwarzarbeit eindämmen. Falls die Abschaffung wirklich eine wirkungsvolle Maßnahme in diesem Bereich darstellt, würde das Argument für ein komplettes Bargeldverbot der EZB quasi auf dem Silbertablett serviert.
Wo liegen die Vor- und Nachteile eines Bargeldverbots?
Die Hauptargument für ein Bargeldverbot liegt auf der Hand: Jede Transaktion findet elektronisch statt und wird damit von einer Finanzdienstleistungsgesellschaft, über welche die Transaktion abgewickelt wird, dokumentiert. Die Zahlungsströme werden für den Staat transparent. Somit können alle Transaktionen auch auf einen kriminellen Hintergrund überprüft werden, wie z. B. bei den Themen Geldwäsche, Schwarzarbeit und Drogenhandel. Des Weiteren sinken in manchen Bereichen unseres Zahlungssystems die Kosten: Der Transport und die Aufbewahrung von Bargeld sowie die Aufstellung und Überwachung von Geldautomaten wären überflüssig. Auch die Bürger könnten davon profitieren, da sie bei der Abschaffung überall mit der Kreditkarte (oder dem Smartphone) bezahlen könnten, d. h. auch morgens beim Bäcker braucht sich niemand mehr Gedanken darüber machen, ob noch genügend Bargeld in der Tasche vorhanden ist.
Vieles spricht auf den ersten Blick für ein Bargeldverbot. Allerdings gibt es auch ein schwerwiegendes Gegenargument: Die Bürger müssen ihr Geldvermögen auf einem Bankkonto aufbewahren und können sich auch in Krisenzeiten diesem System nicht entziehen. Damit rückt ein Gedanke in den Vordergrund, den die EZB bereits in einem kleinen Maße umgesetzt hat – negative Zinsen. Aktuell liegt der Einlagenzins, den die Geschäftsbanken bei der EZB für ihre Überschussliquidität zahlen müssen, bei -0,4 %. Die meisten Geschäftsbanken haben den Negativzins an ihre Kunden nicht direkt weitergegeben, sondern versuchen diese Kosten auf andere Weise (z. B. über Kontoführungs- oder Überweisungsgebühren) zu decken. Der einfache Grund ist die Angst davor, dass die Kunden ihr Erspartes lieber abheben und bei sich zuhause aufbewahren, als negative Zinsen zu zahlen. Bei einem Bargeldverbot könnte die EZB den Einlagenzins auf -2 % oder -3 % senken und die Geschäftsbanken diesen Negativzins direkt an ihre Kunden weitergeben.
Weitere negative Aspekte: Bei technischen Problemen mit der Kreditkarte oder dem Lesegerät im Supermarkt können selbst alltäglichen Transaktionen wie z. B. die Grundversorgung mit Lebensmittel nicht vollzogen werden. Das gesparte Geld durch die geringeren volkswirtschaftlichen Kosten müsste zum Teil auch für Cyberabwehr investiert werden. Zuletzt könnten sich andere Zahlungsmittel wie Edelmetalle oder ausländische Währungen etablieren, die als physische Alternative gehandelt werden. Dann würde die organisierte Kriminalität in der Eurozone ihre Geschäfte eben in US-Dollar oder britischen Pfund abwickeln.